EuGH: Schlussanträge des Generalanwalts in der Rechtssache C-797/23 | Meta Platforms Ireland

Nach Auffassung von Generalanwalt Szpunar können die Mitgliedstaaten unterstützende Maßnahmen zur Gewährleistung der Wirksamkeit der Rechte von Presseverlagen erlassen, sofern diese Maßnahmen die Vertragsfreiheit nicht beeinträchtigen

Die digitale Revolution hat im Mediensektor, insbesondere im Sektor der Printmedien, konfrontiert mit der Entwicklung der Gewohnheiten der Nutzer, dem Aufkommen von Online-Presseschau-Diensten und der Konkurrenz durch neue digitale Kanäle zu tiefgreifenden Umwälzungen geführt. Diese Umwälzungen haben zu einem drastischen Rückgang der Einnahmen der Verlage geführt, was ihr Geschäftsmodell und ihre wesentliche Rolle in demokratischen Gesellschaften gefährdet. Um Abhilfe zu schaffen, sind mehrere Gesetzesinitiativen ergriffen worden, darunter der Erlass von Vorschriften der Europäischen Union, mit denen neue Rechte des gewerblichen Eigentums zugunsten von Presseverlagen eingeführt wurden. Diese Maßnahmen haben jedoch zu heftiger Kritik in Bezug auf ihre Wirksamkeit und ihre Rechtmäßigkeit geführt.

In der vorliegenden Rechtssache wird der Gerichtshof ersucht, sich zur Vereinbarkeit der italienischen Rechtsvorschriften zur Umsetzung der Richtlinie über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt (im Folgenden: Richtlinie)1 zu äußern. Mit dieser Richtlinie wird ein spezifisches verwandtes Schutzrecht zugunsten der Presseverlage für Online-Nutzungen ihrer Veröffentlichungen durch die Anbieter von Diensten der Informationsgesellschaft (ADIG), wie der Gesellschaft Meta Platforms Ireland Limited (Meta), eingeführt.

Meta, die u. a. das soziale Netzwerk Facebook betreibt, erhob Klage vor dem Regionalen Verwaltungsgericht Latium (Italien) und beantragte, einen Beschluss der italienischen Behörde für das Kommunikationswesen (AGCOM) für nichtig zu erklären. Meta stellt in Abrede, dass dieser Beschluss und die anwendbaren italienischen Rechtsvorschriften mit dem Unionsrecht, insbesondere mit der Richtlinie und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union vereinbar seien.

Da es der Auffassung ist, dass diese Fragen Zweifel hinsichtlich der Auslegung des Unionsrechts aufwerfen, hat das italienische Gericht beschlossen, den Gerichtshof im Wege der Vorabentscheidung anzurufen. Es fragt u. a. nach der Natur dieses Rechts, den Verpflichtungen, die den ADIG auferlegt werden, und der Rolle, die der AGCOM im Rahmen der Verhandlungen zwischen den Verlagen und den Plattformen zukommt.

In seinen Schlussanträgen von heute vertritt Generalanwalt Maciej Szpunar die Auffassung, dass die Rechte, die der Unionsgesetzgeber den Presseverlagen einräumen wollte, nicht den allgemeinen Charakter von Urheberrechten oder anderen verwandten Schutzrechten hätten. Denn sie zielten nicht einfach darauf ab, es den Presseverlagen zu ermöglichen, der Nutzung ihrer Veröffentlichungen durch die ADIG zu widersprechen. Dies hätte potenziell mehr den Verlagen als den ADIG geschadet. Diese Rechte sollten vielmehr die Voraussetzungen festlegen, unter denen die Veröffentlichungen tatsächlich genutzt werden, und dabei den Presseverlagen ermöglichen, einen gerechten Ausgleich aus den Einnahmen zu erhalten, die die ADIG aus dieser Nutzung erzielten.

Die Mitgliedstaaten müssten daher über einen Gestaltungsspielraum verfügen, um die Wirksamkeit dieser Rechte zu gewährleisten. Daher stünden Maßnahmen wie die Verpflichtung der ADIG, Verhandlungen aufzunehmen, bestimmte Informationen bereitzustellen oder die Sichtbarkeit der Inhalte der Verlage während der Verhandlungen nicht einzuschränken, grundsätzlich nicht in Widerspruch zu der Richtlinie, sofern sie nicht dazu verpflichteten, einen Vertrag zu schließen oder eine Zahlung zu leisten, ohne dass eine tatsächliche Nutzung erfolge oder vorgesehen sei.

Die der AGCOM verliehenen Befugnisse – einschließlich der Festlegung der Referenzkriterien für die Vergütung, der Beilegung von Streitigkeiten und die Kontrolle der Informationspflicht – seien zulässig, wenn sie sich in einem unterstützenden Rahmen hielten und den Parteien nicht ihre Vertragsfreiheit nähmen. Auf einem durch eine starke Asymmetrie zwischen Plattformen und Verlagen gekennzeichneten Markt bezweckten diese Mechanismen die Wiederherstellung eines Gleichgewichts.

Schließlich führen die in dieser Weise eingeführten Beschränkungen nach Ansicht des Generalanwalts nicht zu einer Beeinträchtigung der durch die Charta geschützten unternehmerischen Freiheit, da sie ein vom Unionsgesetzgeber anerkanntes, im Allgemeininteresse liegendes Ziel verfolgten: die Stärkung der wirtschaftlichen Lebensfähigkeit der Presse, eines wesentlichen Pfeilers der Demokratie.

Richtlinie (EU) 2019/790 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. April 2019 über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte im digitalen Binnenmarkt.

Pressemitteilung des EuGH vom 10. Juli 2025