LG Koblenz: Kein Unterlassungsanspruch eines Arztes bei negativer Online-Bewertung gegen Internet-Portal

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

4. Der Streitwert wird auf 10.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

1 Die Parteien streiten um einen Anspruch des Klägers auf Unterlassung einer Online- Bewertung.

2 Der Kläger ist Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie und betreibt am Standort K.-straße xx, xxxxx L. eine Arztpraxis. Die Beklagte betreibt ein Internet-Portal, in dem Patienten nach Ärzten suchen und diese bewerten sowie Ärzte sich selbst präsentieren können. Unter dem 19.10.2022 wurde auf der Internetseite der Beklagten die mit einem Stern benotete Bewertung eines anonymen Verfassers mit folgendem Inhalt veröffentlicht:

3 „Der Arzt hatte kein Interesse an meinen Beschwerden. Innerhalb weniger Minuten hat er ein MRT für notwendig befunden. Meine Klaustrophobie interessierte ihn auch nicht. Nur bei Nachfragen gab man mir einige private Praxen für ein offenes MRT. Er fragte übrigens nicht nach Aufnahmen der letzten 2 Jahre.“

4 Der Kläger forderte die Beklagte außergerichtlich mit Schreiben vom 25.10.2022 auf, die Bewertung zu entfernen. Wegen der Einzelheiten wird insoweit auf das Schreiben der Klagepartei vom 25.10.2022 (Anlage K 2 zur Klageschrift vom 24.01.2023) Bezug genommen.

5 Die Beklagte forderte in der Folge den Bewerter zur Abgabe einer Stellungnahme auf, welche dieser auch am 26.10.2022 abgab und bezüglich deren Einzelheiten auf diese Bezug genommen wird (Anlage B1 zur Klageerwiderung vom 27.03.2023).

6 Der Kläger behauptet, dass der Verfasser der Bewertung sich nicht in seiner Praxis als Patient vorgestellt habe. Einen tatsächlichen Patientenkontakt könne der Kläger nicht zuordnen, da es an entsprechenden Anhaltspunkten sowohl in der Bewertung selbst als auch im Vortrag der Beklagten fehle, die es ihm erlauben würden, einen Rückschluss auf die Person des angeblichen Patienten zu ziehen und einen Patientenkontakt entsprechend nachzuvollziehen. In Bezug auf die streitgegenständliche Bewertung habe eine Besprechung zwischen dem Kläger und seinem Praxisteam stattgefunden. Weder der Kläger noch ein Mitglied seines Teams hätten einen Rückschluss auf den Patienten oder Beschwerden ziehen können, die ein Patient geäußert haben soll und die auf die Bewertung vom 19.10.2022 passen würden. Kein Mitglied des Praxisteams habe beim Lesen der Bewertung und im Rahmen der anschließenden teaminternen Besprechung nachvollziehen können, um welchen Patienten es sich handeln soll.

7 Der Kläger ist daher der Ansicht, dass ihm gegen die Beklagte ein Unterlassungsanspruch gem. §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog i.V.m. Art. Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG zustehe, da die Bewertung gegen das in Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG grundgesetzlich zugesicherte allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers verstoße, sodass die weitere Veröffentlichung der Bewertung rechtswidrig und zu unterlassen sei.

8 Der Kläger beantragt daher,

9 1. die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines für den Fall der schuldhaften Zuwiderhandlung fällig werdenden Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zukünftig zu unterlassen, die unter https://www.jameda.de/samir-eduard-shnayien/orthopaede-unfallchirurg-chirotherapeut-sportmediziner/linz-am-rhein abrufbare Bewertung des Klägers vom 19.10.2022 durch einen anonymen Verfasser mit dem Inhalt:

10 „Der Arzt hatte kein Interesse an meinen Beschwerden. Innerhalb weniger Minuten hat er ein MRT für notwendig befunden. Meine Klaustrophobie interessierte ihn auch nicht. Nur bei Nachfragen gab man mir einige private Praxen für ein offenes MRT. Er fragte übrigens nicht nach Aufnahmen der letzten 2 Jahre.“

11 zu veröffentlichen;

12 2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 973,66 EUR zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

13 Die Beklagte beantragt,

14 bdie Klage abzuweisen.

15 Die Beklagte bringt vor, dass auf Grund des Vorbringens der Klagepartei im Rahmen des Prüfverfahrens mit anwaltlichem Schreiben vom 20.11.2022 (Anlage K3 zur Klageschrift vom 24.01.2023) keinerlei Zweifel bestanden habe, dass ein Patientenkontakt bestanden habe. Die Beklagte ist weiter der Ansicht, dass der vom Kläger geltend gemachte Lösch- und Unterlassungsanspruch nach den §§ 823, 1004 BGB analog nicht bestehe, da die Beklagte keiner Störerhaftung unterliege, da sie weder Prüfpflichten verletzt habe noch in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers rechtswidrig eingegriffen wurde. Als Hostproviderin käme nur eine Haftung der Beklagten als mittelbare Störerin in Betracht. Der Beklagten könne aber keine Verletzung ihrer Prüfpflichten vorgeworfen werden.

16 Die Kammer hat mit Beschluss vom 08.12.2023 Hinweise gemäß § 139 ZPO erteilt, bezüglich deren Einzelheiten auf den Beschluss vom 08.12.2023 (Bl. 74 ff d.A.) Bezug genommen wird.

17 Zur Ergänzung des Tatbestandes wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen.

Entscheidungsgründe

18 Die zulässige Klage ist unbegründet.

I.

19 Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Unterlassen nach §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog i.V.m. Art. 1, 2 Abs. 1 GG.

20 Hostprovider, wie vorliegend die Beklagte, können zwar grundsätzlich als Störer auf Unterlassung bzw. Beseitigung gemäß § 1004 Abs. 1 BGB analog haften. Als Störer in diesem Sinne ist dabei jeder anzusehen, der eine Störung herbeigeführt hat oder dessen Verhalten eine Beeinträchtigung befürchten lässt (vgl. BGH, NJW 2013, 2348, Rn. 24). Die Beklagte hat die Plattform zur Verfügung gestellt, auf welcher der anonyme Bewerter Äußerungen den Kläger betreffend getätigt hat. Sie hat damit die Voraussetzungen geschaffen, dass er diese behaupten und verbreiten konnte. Wer – ohne selbst Täter oder Teilnehmer zu sein – in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung eines geschützten Gutes beiträgt, kann als mittelbarer Störer für die Unterlassung einer Schutzrechtsverletzung in Anspruch genommen werden.

21 Grundsätzlich ist als mittelbarer Störer verpflichtet, wer, ohne unmittelbarer Störer zu sein, in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Beeinträchtigung des Rechtsguts beiträgt. Dabei kann als Beitrag auch die Unterstützung oder Ausnutzung der Handlung eines eigenverantwortlich handelnden Dritten genügen, sofern der in Anspruch Genommene die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit zur Verhinderung dieser Handlung hatte. Die Haftung als mittelbarer Störer darf nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung aber nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden, welche die rechtswidrige Beeinträchtigung nicht selbst vorgenommen haben. Sie setzt deshalb die Verletzung von Verhaltenspflichten, insbesondere von Prüfpflichten, voraus. Deren Umfang bestimmt sich danach, ob und inwieweit dem als mittelbaren Störer in Anspruch Genommenen nach den Umständen des Einzelfalls eine Verhinderung der Verletzung zuzumuten ist. (vgl. BGH, a.a.O., Rn, 22f m.w.N.).

22 Voraussetzung einer Haftung ist insgesamt eine Verletzung von Prüfungspflichten. Deren Bestehen wie deren Umfang richtet sich im Einzelfall nach einer Abwägung aller betroffenen Interessen und relevanten rechtlichen Wertungen. Überspannte Anforderungen dürfen im Hinblick darauf, dass es sich um eine erlaubte Teilnahme am geschäftlichen Verkehr handelt, nicht gestellt werden. Entsprechend den zur Störerhaftung entwickelten Grundsätzen kommt es entscheidend darauf an, ob und inwieweit dem in Anspruch genommenen nach den Umständen des Einzelfalles eine Prüfung zuzumuten (vgl. OLG Stuttgart Urt. v. 26.6.2013 – 4 U 28/13 = BeckRS 2014, 10797 m.w.N.).

23 Gemessen hieran fehlt es vorliegend an der Verletzung von Prüfpflichten durch die Beklagte.

24 Die Beklagte hat vorliegend unstreitig auf die Beschwerde des Klägers hin ein Überprüfungsverfahren eingeleitet, was zur Abgabe einer ergänzenden Stellungnahme durch den Bewerter/in geführt hat. Diese ergänzenden Stellungnahmen hat die Beklagte wiederum zur Stellungnahme an den Kläger weitergeleitet.

1.

25 Soweit die Klagepartei behauptet, dass kein Patientenkontakt bestanden habe und die Beklagte bereits deshalb ihre Prüfpflichten verletzt habe und zur Löschung verpflichtet sei, so kann dem die Kammer nicht folgen.

26 Zwar kommt grundsätzlich eine Verletzung des Klägers in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht in Betracht, wenn der in der angegriffenen Äußerung enthaltene tatsächliche Bestandteil unrichtig war und dem Werturteil damit jegliche Tatsachengrundlage fehlte. Darlegungs- und beweisbelastet für das Fehlen eines Behandlungskontakts ist nach den allgemeinen Regeln insoweit der Kläger. Die Beklagte trifft hinsichtlich des Behandlungskontakts eine sekundäre Darlegungslast. Die sekundäre Darlegungslast umfasst zunächst diejenigen für einen solchen Behandlungskontakt sprechenden Angaben, die der Bekl., insbesondere ohne Verstoß gegen § 12 I TMG, möglich und zumutbar sind (vgl. BGH GRUR 2016, 855 Rn. 45 ff m.w.N.).

27 Dabei hat der Bundesgerichtshof in seiner Rechtsprechung ebenfalls hervorgehoben, dass rechtlich zulässig nach § 13 VI TMG Bewertungen verdeckt abgegeben werden können (vgl. BGHZ 202, 242 Rn. 34 = GRUR 2014, 1228 – Ärztebewertung II), wobei ein Auskunftsanspruch gegen den Portalbetreiber grundsätzlich nicht besteht (vgl. BGHZ 201, 380 Rn. 9 ff. = GRUR 2014, 902 – Ärztebewertung I). Deshalb wird von der Beklagten als Portalbetreiberin eine gewissenhafte Prüfung der Beanstandungen von betroffenen Ärzten gefordert, damit die Persönlichkeitsrechte der (anonym oder pseudonym) bewerteten Ärzten beim Portalbetrieb hinreichend geschützt sind (vgl. BGH GRUR 2016, 855).

28 Dabei darf allerdings der vom Betreiber eines Arztbewertungsportals verlangte Prüfungsaufwand den Betrieb des Portals weder wirtschaftlich gefährden noch unverhältnismäßig erschweren, hat aber zu berücksichtigen, dass eine gewissenhafte Prüfung der Beanstandungen von betroffenen Ärzten durch den Portalbetreiber eine entscheidende Voraussetzung dafür ist, dass die Persönlichkeitsrechte der (anonym oder pseudonym) bewerteten Ärzte beim Portalbetrieb hinreichend geschützt sind (vgl. BGH GRUR 2016, 855).

29 Vorliegend ist die Beklagtenpartei indes ihrer sekundären Darlegungslast sowie ihren diesbezüglich bestehenden Prüfpflichten nachgekommen. Die Beklagte hat im Rahmen des Prüfungsverfahrens den Bewerter zu einer Stellungnahme aufgefordert, welche dieser sodann auch abgegeben hat. Weiter hat die Beklagte diese Stellungnahme dem Kläger zusammen mit der Angabe eines ungefähren Behandlungszeitraums, namentlich Juli 2021 bis September 2021 an den Kläger weitergeleitet, wobei eine persönliche Stellungnahme des Klägers hierzu zunächst ausblieb und der Kläger sodann mit Schreiben der nunmehrigen Prozessbevollmächtigte des Klägers vom 20.11.2022 (Anlage K3 zur Klageschrift vom 24.01.2023) den Eindruck erweckt hat, es hätte einen Patientenkontakt gegeben. So hat der Kläger in dem vorgenannten Schreiben vortragen lassen, warum die Anordnung eines MRT gerechtfertigt gewesen sei und warum eine gewisse Diagnostik betrieben werden muss um eine fachärztliche Bewertung herbeizuführen.

30 Soweit der Kläger dann erst eindeutig im Laufe des hiesigen Rechtsstreits darauf abgestellt hat, dass er die Auffassung vertrete, dass der Verfasser der Bewertung sich nicht in seiner Praxis als Patient vorgestellt habe, so ist das diesbezügliche Vorbringen des Klägers nicht geeignet eine insoweitige Prüfplichtverletzung der Beklagten darzulegen.

31 Das Vorbringen des Klägers ist insoweit bereits unsubstantiiert. Dieses beschränkt sich im Wesentlichen darauf, dass an Hand der Stellungnahmen und der Bewertung weder dem Kläger, noch dem Praxisteam möglich sei die Beschwerden und das Vorbringen einem konkreten Patientenkontakt zuzuordnen. Dies impliziert aber zugleich, dass es gleichwohl möglich ist, dass ein solcher Patientenkontakt genau wie in der Bewertung angegeben stattgefunden hat.

32 So betont auch der Kläger im Rahmen seines Vorbringen, dass er bei einer Vielzahl von Patienten ein MRT angeordnet habe und dass das Stichwort „Klaustrophobie“ keinen Hinweis im streitgegenständlichen Zeitraum ergeben habe, wobei dies auch schon deswegen der Fall sein könne, weil eine tatsächliche oder auch nur vermeintliche Klaustrophobie für einen Facharzt für Orthopädie keine dokumentierbedürftige Diagnose darstelle (wie der Kläger selbst hervorhebt).

33 Mithin ist auch nach dem Vorbringen des Klägers selbst durchaus möglich, dass auf Grund der Vielzahl der Patienten ihm eine Erinnerung an den vorliegenden Fall nicht möglich ist, ohne dass hierdurch nach dem Vorbringen der Klagepartei nur der zwingende Schluss besteht, dass es deshalb gar keinen Patientenkontakt gegeben habe.

34 Die Beklagtenpartei wiederum ist ihrer sekundären Darlegungslast hinreichend nachgekommen. Diese hat sowohl eine Stellungnahme angefordert, als auch einen ungefähren Behandlungszeitraum angegeben. Weiter ist aus der ergänzenden Stellungnahme ersichtlich (Anlage B1 zur Klageerwiderung vom 27.03.2023), dass augenscheinlich beim Bewerter keine weiteren Unterlagen mehr zu Behandlung existieren. Es handelt sich bei dem Bewerter um einen Kassenpatient, sodass nicht davon auszugehen ist, dass dieser eine Rechnung erhalten hat. Die Überweisung zum MRT wiederum wurde nach der Aussage des Bewerters entsorgt.

35 Nach alldem ist auch nicht ersichtlich welche weiteren Nachforschungen die Beklagte hätte anstellen können, um unter Wahrung der Anonymität den Sachverhalt weiter aufzuklären, sodass die Beklagte insgesamt ihren sekundären Darlegungspflichten nachgekommen ist.

2.

36 Bezüglich der Bewertung als solche ist inhaltlich eine Prüfpflichtverletzung der Beklagten ebenfalls nicht zu erkennen.

37 Die Bewertung als solche besteht aus einzelnen Tatsachenelementen „innerhalb weniger Minuten ein MRT für notwendig befunden“ und „er fragte nicht nach Aufnahmen der letzten 2 Jahre“ bezüglich derer bereits nach dem Klagevorbringen nicht ersichtlich ist, inwieweit es sich hierbei um falsche Tatsachenbehauptungen handeln sollte.

38 Hierauf aufbauend besteht die Bewertung im Wesentlichen daraus, dass der Bewerter den Eindruck wiedergibt, dass der Kläger sich nicht für seine Beschwerden oder seine Klaustrophobie interessierte habe. Insoweit handelt es sich offenkundig um eine Empfindung des Bewerters, welches auf den vorstehenden Tatsachen sowie auf der weiteren Angabe „Nur bei Nachfragen gab man mir einige private Praxen für ein offenes MRT.“, aufbauen. Ausgehend davon, dass vorliegend bereits nach dem Klagevortag nicht ersichtlich ist, dass dieser Tatsachenkern nicht der Wahrheit entspricht, sind die darauf aufbauend geäußerten Empfindungen des Bewerters eine Meinung, welche bei einer insgesamt vorzunehmen Abwägung und Gesamtbetrachtung im Kontext nicht zu beanstanden ist, sodass auch insoweit eine Prüfpflichtverletzung der Beklagten nicht ersichtlich ist.

II.

39 Die Nebenforderungen teilen das Schicksal der Hauptforderung.

III.

40 Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 709 ZPO.

Urteil des LG Koblenz 3. Zivilkammer vom 19. Juni 2024