EuGH: Finanzielle Sanktionen gegen Spanien wegen Nichtumsetzung der Richtlinie zum Datenschutz bei der Strafverfolgung

Spanien wird zur Zahlung eines Pauschalbetrags in Höhe von 15 Millionen Euro und eines täglichen Zwangsgelds in Höhe von 89 000 Euro verurteilt, da es bislang eine Richtlinie weder umgesetzt noch Umsetzungsmaßnahmen mitgeteilt hat

Es geht um die Richtlinie zum Schutz personenbezogener Daten bei der Verhütung und Aufdeckung von Straftaten

Die Kommission hat beim Gerichtshof Klage auf die Feststellung erhoben, dass Spanien gegen seine Verpflichtungen aus der Richtlinie zum Schutz personenbezogener Daten bei der Verhütung und Aufdeckung von Straftaten1 verstoßen hat. Spanien habe die nationalen Maßnahmen zur Umsetzung der Richtlinie weder erlassen noch mitgeteilt. Daher hat sie beim Gerichtshof beantragt, Spanien gemäß Art. 260 Abs. 3 AEUV zur Zahlung eines Zwangsgelds in Höhe von 89 548,20 Euro für jeden Tag des Verzugs ab Verkündung des Urteils in dieser Rechtssache und eines Pauschalbetrags von etwa 15 500 000 Euro zu verurteilen2.

Die Kommission richtete, da sie von Spanien bis zum Ablauf der festgelegten Frist am 6. Mai 2018 keine Information über die Maßnahmen zur Umsetzung der Richtlinie erhalten hatte, am 20. Juli 2018 ein Mahnschreiben an Spanien mit der Aufforderung, ihr diese Maßnahmen mitzuteilen. Dieses Schreiben blieb wirkungslos. Daher übersandte sie am 25. Januar 2019 eine mit Gründen versehene Stellungnahme an Spanien, in der sie es aufforderte, innerhalb von zwei Monaten die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen.

In seiner Antwort vom 27. März 2019 auf diese Stellungnahme verwies Spanien darauf, dass das Verwaltungsverfahren für den Erlass der Maßnahmen zur Umsetzung der Richtlinie im Gang sei und voraussichtlich Ende Juli 2019 abgeschlossen sein solle. Das parlamentarische Verfahren solle Ende März 2020 abgeschlossen werden. Im Übrigen ergebe sich die Verzögerung bei der Umsetzung im Wesentlichen aus dem besonderen politischen Kontext und der Notwendigkeit, die Richtlinie durch ein Organgesetz umzusetzen.

Spanien bestreitet nicht, dass es gegen seine Verpflichtung verstoßen hat, Maßnahmen zur Umsetzung der Richtlinie zu erlassen und diese mitzuteilen. Es räumt ein, dass die äußerst außergewöhnlichen institutionellen Umstände, die die Tätigkeiten der Regierung und des nationalen Parlaments im Hinblick auf den Erlass der erforderlichen Umsatzmaßnahmen verzögert hätten (u. a. der Übergangscharakter der spanischen Regierung im fraglichen Zeitraum, die im Abgeordnetenhaus über keine Mehrheit verfügt und in Erwartung der Bildung einer neuen Regierung nur noch die laufenden Geschäfte geführt habe), die gerügte Vertragsverletzung nicht rechtfertigen könnten3. Jedoch seien diese Umstände für die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der Sanktionen, die die Kommission vorgeschlagen habe, besonders maßgeblich.

Mit seinem heutigen Urteil stellt der Gerichtshof eine Vertragsverletzung Spaniens fest.

Nach den Ausführungen des Gerichtshofs steht fest, dass Spanien bei Ablauf der Frist am 25. März 2019, die in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzt worden war, nicht die Maßnahmen erlassen hatte, die erforderlich waren, um die Umsetzung der Richtlinie sicherzustellen, und diese auch nicht der Kommission mitgeteilt hatte.

Die so festgestellte Vertragsverletzung fällt in den Anwendungsbereich von Art. 260 Abs. 3 AEUV, da der Kommission mit Ablauf der Frist keinerlei Umsetzungsmaßnahme im Sinne dieser Bestimmung mitgeteilt worden war.

Was die von der Kommission beantragten finanziellen Sanktionen angeht, weist der Gerichtshof als Erstes darauf hin, dass die Verhängung eines Zwangsgelds grundsätzlich nur gerechtfertigt ist, soweit die Vertragsverletzung bis zur Prüfung des Sachverhalts durch den Gerichtshof andauert. Vorliegend hat Spanien die Vertragsverletzung aufrecht erhalten, da es am Ende des schriftlichen Verfahrens vor dem Gerichtshof am 6. Mai 2020 die Maßnahmen, die erforderlich waren, um die Umsetzung der Bestimmungen der Richtlinie in spanisches Recht sicherzustellen, weder erlassen noch mitgeteilt hatte. Die Verurteilung zur Zahlung eines Zwangsgelds ist ein angemessenes Mittel, um sicherzustellen, dass Spanien die festgestellte Vertragsverletzung schnellstmöglich beendet. Jedoch ist das Zwangsgeld nur insoweit zu verhängen, als die Vertragsverletzung am Tag der Verkündung dieses Urteils noch andauert.

Als Zweites führt der Gerichtshof aus, dass alle rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkte der festgestellten Vertragsverletzung darauf hindeuten, dass die wirksame Verhinderung einer zukünftigen Wiederholung entsprechender Verstöße, die die volle Wirksamkeit des Unionsrechts beeinträchtigen, den Erlass einer abschreckenden Maßnahme wie der Verhängung eines Pauschalbetrags erfordern kann.

Im Hinblick auf die Schwere und die Dauer des Verstoßes verurteilt der Gerichtshof Spanien zur Zahlung eines Pauschalbetrags in Höhe von 15 000 000 Euro sowie für den Fall, dass die festgestellte Vertragsverletzung zum Zeitpunkt der Verkündung seines Urteils fortbestehen sollte, ab diesem Zeitpunkt und bis die festgestellte Vertragsverletzung beendet wird, zur Zahlung eines täglichen Zwangsgelds in Höhe von 89 000 Euro. Das vorliegende Urteil ist das erste, in dem der Gerichtshof gemäß Art. 260 Abs. 3 AEUV die zwei Arten finanzieller Sanktionen gleichzeitig verhängt.

1 Richtlinie (EU) 2016/680 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung sowie zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung des Rahmenbeschlusses 2008/977/JI des Rates (ABl. 2016, L 119, S. 89).

2 Nach Art. 260 Abs. 3 AEUV kann die Kommission im Rahmen einer Vertragsverletzungsklage, die darauf gestützt wird, dass Maßnahmen zur Umsetzung einer gemäß einem Gesetzgebungsverfahren erlassenen Richtlinie nicht mitgeteilt wurden, beantragen, dass der Gerichtshof gegen den betreffenden Mitgliedstaat einen Pauschalbetrag oder ein Zwangsgeld bis zur Höhe des von der Kommission genannten Betrags verhängt. Mit diesem Mechanismus wird eine doppelte Zielsetzung verfolgt: Es handelt sich um ein Mittel, die Mitgliedstaaten dazu anzuhalten, innerhalb kürzester Zeit eine Vertragsverletzung zu beenden, die andernfalls fortbestanden hätte, aber auch um ein Mittel, das Verfahren zur Verhängung finanzieller Sanktionen bei Verletzungen der Pflicht, eine nationale Maßnahme zur Umsetzung einer gemäß einem Gesetzgebungsverfahren erlassenen Richtlinie mitzuteilen, zu vereinfachen und zu beschleunigen. Zuvor konnte nämlich eine finanzielle Sanktion gegen Mitgliedstaaten, die einem früheren Urteil des Gerichtshofs nicht fristgerecht nachgekommen waren und ihre Umsetzungspflicht missachtet hatten, erst mehrere Jahre nach dem genannten Urteil verhängt werden. Diese Bestimmung wurde in den Urteilen des Gerichtshofs vom 8. Juli 2019, Kommission/Belgien (Art. 260 Abs. 3 AEUV – Hochgeschwindigkeitsnetze), C-543/17 (vgl. Pressemitteilung 88/19) in Bezug auf die Verhängung eines Zwangsgelds und in den Urteilen vom 16. Juli 2020, Kommission/Rumänien (Bekämpfung der Geldwäsche), C-549/18, Kommission/Irland (Bekämpfung der Geldwäsche), C-550/18 (vgl. Pressemitteilung 92/20), sowie vom 13. Januar 2021, Kommission/Slowenien (MiFID II), C-628/18 in Bezug auf die Verhängung eines Pauschalbetrags angewandt.

Pressemitteilung des EuGH vom 25. Februar 2021