Ein Europa, das schützt: EU verstärkt Maßnahmen gegen Desinformation

Angesichts der bevorstehenden Wahlen zum Europäischen Parlament im Jahr 2019 und der zahlreichen nationalen Parlaments- und Kommunalwahlen, die bis 2020 in den Mitgliedstaaten anstehen, legt die Europäische Union heute einen Aktionsplan gegen Desinformation vor, um in Europa und über Europas Grenzen hinaus verstärkt gegen Desinformation vorzugehen.

Nach einer Bilanz der bisherigen Fortschritte und als Reaktion auf die Aufforderung der europäischen Staats- und Regierungschefs vom Juni 2018 zum Schutz der demokratischen Systeme der Union schlagen die Europäische Kommission und die Hohe Vertreterin konkrete Maßnahmen zur Bekämpfung von Desinformation vor, darunter die Einrichtung eines Frühwarnsystems und die enge Überwachung der Umsetzung des von den Online-Plattformen unterzeichneten Verhaltenskodex. Der Aktionsplan sieht auch eine Aufstockung der hierfür vorgesehenen Mittel vor.

Die Hohe Vertreterin/Vizepräsidentin Federica Mogherini erklärte: „Eine gesunde Demokratie braucht eine offene, freie und faire öffentliche Debatte. Es ist unsere Pflicht, diesen Raum zu schützen, und wir dürfen keine Verbreitung von Desinformation zulassen, die Hass sät, zu Spaltung anstachelt und das Vertrauen in die Demokratie erschüttert. Wir wollen als Europäische Union geschlossen handeln und unserer Reaktion Nachdruck verleihen, um innerhalb unserer Grenzen und in den Nachbarländern unsere Grundsätze zu fördern und unsere Gesellschaften gegen Desinformation widerstandsfähiger zu machen. Dies ist die speziell europäische Reaktion auf eine der größten Herausforderungen unserer Zeit.“ 

Der für den digitalen Binnenmarkt zuständige Vizepräsident Andrus Ansip hat erklärt: „Wir müssen geeint auftreten und unsere Kräfte bündeln, um unsere Demokratien vor Desinformation zu schützen. Es wurden Versuche unternommen, in Wahlen und Referenden einzugreifen, wobei alle Anzeichen dafür sprechen, dass Russland bei diesen Kampagnen eine wichtige Rolle gespielt hat. Um diesen Bedrohungen entgegenzutreten, schlagen wir vor, die Koordinierung mit den Mitgliedstaaten über ein Schnellwarnsystem zu verbessern, unsere Teams für die Aufdeckung von Fehlinformationen zu verstärken, die Unterstützung für die Medien und Forscher zu erhöhen und Online-Plattformen zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen aufzufordern. Die Bekämpfung von Desinformation verlangt gemeinsames Vorgehen.“

 

Bewusstsein schärfen sowie Aufdeckungs- und Reaktionseffizienz erhöhen

Der Aktionsplan, der auch in enger Zusammenarbeit mit der für Justiz, Verbraucher und Gleichstellung zuständigen EU-Kommissarin Věra Jourová, dem für die Sicherheitsunion zuständigen Kommissar Julian King sowie der für die digitale Wirtschaft und Gesellschaft zuständigen Kommissarin Mariya Gabriel vorbereitet wurde, konzentriert sich auf die vier Schwerpunktbereiche, in denen sich die Fähigkeiten der EU und die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten und der EU voll und ganz entfalten.

  • Bessere Erkennung: Task Forces für strategische Kommunikation, die EU-Analyseeinheit für hybride Bedrohungen im Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD) sowie die EU-Delegationen in den Nachbarländern werden mit zahlreichen entsprechend qualifizierten Mitarbeitern und Datenanalysewerkzeugen weiter verstärkt. Die Haushaltsmittel für die Strategische Kommunikation des EAD zur Bekämpfung von Desinformation und zur Sensibilisierung für ihre nachteiligen Auswirkungen wird sich von 1,9 Mio. EUR im Jahr 2018 auf vorrausichtlich 5 Mio. EUR im Jahr 2019 mehr als verdoppeln. Die EU-Mitgliedstaaten sollten diese Maßnahmen durch Stärkung ihrer eigenen Mittel zur Bekämpfung von Desinformation ergänzen.
  • Koordinierte Reaktion: Die EU-Organe und die Mitgliedstaaten werden ein spezielles Frühwarnsystem einrichten, um den Austausch von Daten und die Bewertung von Desinformationskampagnen zu erleichtern und Warnmeldungen über Vorkommnisse von Desinformation in Echtzeit zur Verfügung zu stellen. In einem weiteren Schwerpunkt werden sich die EU-Organe und die Mitgliedstaaten darum bemühen, die Werte und Strategien der Union proaktiv und objektiv zu kommunizieren.
  • Die Unterzeichner des Verhaltenskodex sollten die im Verhaltenskodex eingegangenen Verpflichtungen zügig und wirksam umsetzen und sich dabei besonders auf Maßnahmen konzentrieren, die für die Wahlen zum Europäischen Parlament 2019 dringend erforderlich sind. Dazu gehört es insbesondere sicherzustellen, dass politische Werbung transparent ist, die Anstrengungen zur Schließung von Fake Accounts zu intensivieren und nichtmenschliche Interaktionen (wie die automatische Verbreitung von Nachrichten durch „Bots“) als solche kenntlich zu machen sowie mit Faktenprüfern und Wissenschaftlern zusammenzuarbeiten, um Desinformationskampagnen aufzudecken und die Inhalte, die den Faktencheck bestanden haben, sichtbarer zu machen und zu verbreiten. Mit der Unterstützung der „Gruppe europäischer Regulierungsstellen für audiovisuelle Mediendienste“ wird die Kommission eine enge und kontinuierliche Überwachung der Umsetzung der Verpflichtungen gewährleisten.
  • Sensibilisierung und Befähigung der Gesellschaft: Zusätzlich zu gezielten Sensibilisierungskampagnen werden die EU-Organe und die Mitgliedstaaten spezielle Programme zur Förderung der Medienkompetenz durchführen. Nationale multidisziplinäre Teams aus unabhängigen Faktenprüfern und Forschern werden bei der Aufdeckung von Desinformationskampagnen in sozialen Netzwerken unterstützt.

Schließlich berichtet die Kommission heute auch über die Fortschritte bei der Bekämpfung von Desinformation im Internet seit der Vorlage ihrer Mitteilung im April 2018.

 

Nächste Schritte

Die Europäische Kommission und die Hohe Vertreterin werden die im Aktionsplan vorgesehenen Maßnahmen in enger Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten und dem Europäischen Parlament entwickeln und umsetzen.

Das einschlägige Frühwarnsystem wird mit Blick auf die Europawahlen im März 2019 eingerichtet und durch eine weitere Aufstockung der erforderlichen Ressourcen ergänzt.

Die Unterzeichner des Verhaltenskodex legen der Kommission bis Ende 2018 einen ersten Überblick über den Stand der Umsetzung vor, den die Kommission im Januar 2019 veröffentlicht. Von Januar bis Mai 2019 müssen die Online-Plattformen der Kommission monatlich Bericht erstatten. Darüber hinaus wird die Kommission während der ersten zwölf Monate eine umfassende Bewertung der Umsetzung des Verhaltenskodex vornehmen. Erweisen sich Umsetzung oder Wirkung des Verhaltenskodex als unzureichend, so könnte die Kommission erforderlichenfalls weitere Maßnahmen vorschlagen, die auch regulatorischer Art sein können.

 

Hintergrund

Die Europäische Union geht seit 2015 aktiv gegen Desinformation vor. Nach dem Beschluss des Europäischen Rates vom März 2015 wurde die East StratCom Task Force des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD) eingerichtet, um „Russlands anhaltenden Desinformationskampagnen entgegenzuwirken„. Der Schwerpunkt der Task Force liegt in der wirksamen Kommunikation der politischen Maßnahmen der Union gegenüber den östlichen Nachbarländern; der Stärkung der allgemeinen Medienlandschaft in den östlichen Nachbarländern, darunter die Förderung der Medienfreiheit und die Stärkung der unabhängigen Medien; und einer besseren Befähigung der Union, Desinformationsaktivitäten der Russischen Föderation vorherzusehen, anzugehen und abzuwehren.

Im Jahr 2016 wurde der Gemeinsame Rahmen für die Abwehr hybrider Bedrohungen angenommen, gefolgt von derGemeinsamen Mitteilung zur Stärkung der Resilienz und Stärkung der Kapazitäten für die Abwehr hybrider Bedrohungen im Jahr 2018.

Im April 2018 legte die Kommission ein europäisches Konzept und Selbstregulierungsinstrumente zur Bekämpfung von Desinformation im Internet fest, darunter den EU-weiten Verhaltenskodex für den Bereich der Desinformation, die Förderung eines unabhängigen Netzes von Faktenprüfern und Instrumente zur Förderung von Qualitätsjournalismus. Am 16. Oktober wurde der Verhaltenskodex von Facebook, Google, Twitter und Mozilla sowie von Berufsverbänden der Online-Plattformen und der Werbebranche unterzeichnet.

Präsident Juncker legte in seiner Rede zur Lage der Union 2018 eine Reihe konkreter Maßnahmen vor, um sicherzustellen, dass die Wahlen zum Europäischen Parlament im kommenden Jahr frei, fair und sicher ablaufen. Zu diesen Maßnahmen zählen mehr Transparenz bei politischer Werbung im Internet und die Möglichkeit von Sanktionen, wenn personenbezogene Daten rechtswidrig genutzt werden, um das Ergebnis der Europawahl zu beeinflussen.

Pressemitteilung der Europäischen Kommission vom 5. Dezember 2018