LG Frankfurt am Main: Zwangsouting eines Profisportlers vor dem Arbeitgeber stellt Eingriff in das Persönlichkeitsrecht dar

Leitsatz

1. Ein Eingriff in die Privatsphäre durch die Offenbarung der Homosexualität des Betroffenen kann auch vorliegen, wenn der Betroffene in gewisser Art und Weise eine Selbstöffnung herbeiführt, er sich aber darum bemüht, solche Umstände zum Beispiel gegenüber dem eigenen privaten Umfeld bzw. bestimmten Personenkreisen geheim zu halten. Hierbei kann es auch eine Rolle spielen, wenn der Betroffene sich zwar im weiteren privaten Umfeld mit dem Lebensgefährten zeigt, er seine Homosexualität aber gegenüber dem Arbeitgeber und Kollegen an einem 250km entfernten Ort und mit anderer Sprache geheim gehalten hat.

2. Zu den Voraussetzungen einer Entschädigungszahlung.


Az.: 2-03 O 162/19

Anmerkung

Die Entscheidung ist anfechtbar.

Tenor

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.358,86 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.08.2019 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 90% und der Beklagte 10% zu tragen.

Das Urteil ist jeweils gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Zahlung von Entschädigung sowie vorgerichtliche Anwaltskosten.

Der Kläger war als [Sportler] in Frankreich unter Vertrag. Er ist homosexuell. Im August 2018 war er der Partner des Journalisten und … X, der beim Z tätig ist.

Der Beklagte gehörte zum weiteren Bekanntenkreis von Herrn X. Die Parteien lernten sich im Dezember 2016 auf einer privaten Feier bei Herrn X kennen.

Der Partner des Klägers, Herr X, ging mit seiner Homosexualität in der Vergangenheit wiederholt an die Öffentlichkeit. Über seine Verpartnerung im Jahr 2… mit dem damaligen Lebensgefährten wurde umfangreich berichtet. Der Kläger und Herr X waren am …12.2016 mit einem Freund beim Glockengeläut in Frankfurt am Main. Dieser Freund postete bei Facebook ein Bild, das die drei Personen zeigt (Anlage B3, Bl. 76 d.A.).

Im März 2017 kam es zu Kommunikation zwischen dem Beklagten und Herrn X, in deren Zuge der Beklagte Herrn X die Freundschaft aufkündigte. Herr X äußerte hierauf, dass ihn die Tratschhaftigkeit des Beklagten gegenüber dem Kläger auch gestört habe, woraufhin der Beklagte erwiderte: „Jetzt wirst du erleben, was ‚Tratschhaftigkeit‘ bedeutet…“. Auf den Verlauf in Anlage K6, Bl. 82 d.A., wird Bezug genommen.

Die „A“-Zeitung berichtete am ….06.2018 in ihrer Frankfurt-Ausgabe, die eine gedruckte Auflage von täglich rund … Exemplaren hat, sowie online unter der Überschrift „X hat ´nen Neuen“ darüber, dass Herr X einen neuen Partner (den Kläger) habe. Der Kläger war mit Herrn X auf einer Party erschienen. Der Beitrag ist mit einem Bildnis von Herrn X und dem Kläger sowie dem zugehörigen Text „… tauchte X mit [Vorname des Klägers] auf“ bebildert. Im Text selbst heißt es: „Und X … hat sich inzwischen mit einem Neuen garniert. Bei der Eröffnungs-Party von … schien es, als sei er mit einem Bodyguard aufgetaucht. Tatsächlich ist es der 40-jährige [Vorname des Klägers]. Der wich X den ganzen Abend nicht von der Seite. X: ‚Wir haben uns über eine Bekannte kennengelernt‘“ (Anlage B1, Bl. 40 d.A.). Der entsprechende Online-Artikel vom ….06.2018, der durch einen Link im Beitrag über Facebook geteilt und kommentiert werden konnte, wurde von einer Vielzahl von Personen geteilt und kommentiert.

Auf Betreiben des Klägers bzw. von Herrn X änderte die „A“-Zeitung ihren Online-Beitrag dahingehend ab, dass das Bildnis von Herrn X und dem Kläger entfernt wurde. In Bezug auf den Kläger verblieb lediglich die Äußerung „Tatsächlich ist es der 40-jährige [Vorname des Klägers].“ (Anlage K5, Bl. 48 d.A.).

Am 29.08.2018, zwischen 22:00 Uhr und 23:00 Uhr, teilte der Beklagte den Online-Beitrag der „A“-Zeitung auf der Facebook-Seite des …vereins des Klägers über Facebook mit folgendem Kommentar in französischer und … Sprache (zwischen den Parteien unstreitige Übersetzung): „Es ist ein positives Zeichen, dass Sportler schwul sein und sich engagieren dürfen. Wenn der Artikel einer der größten deutschen Zeitungen richtig ist, bilden X und [Vorname des Klägers] ein Paar. Vorbehaltlich der Richtigkeit dieser Meldung: Herzlichen Glückwunsch.“ (Anlage K1, Bl. 9 d.A.). Der Beitrag wurde bis 0:30 Uhr wieder gelöscht.

Der Kläger ließ den Beklagten mit anwaltlichem Schreiben vom 22.11.2018 abmahnen und zur Abgabe einer Unterlassungserklärung sowie unter Fristsetzung bis zum 06.12.2018 zum Ersatz von Rechtsverfolgungskosten in Höhe einer 1,3-Geschäftsgebühr aus einem Gegenstandswert von 30.000 EUR zuzüglich Pauschale und Umsatzsteuer, insgesamt 1.358,86 EUR, auffordern (Anlage K2, Bl. 10 d.A.). Der Beklagte gab mit Schreiben vom 28.11.2018 eine modifizierte Unterlassungserklärung ab und verwies im Übrigen auf seinen Rechtsanwalt (Anlage K3, Bl. 15 d.A.), zahlte aber die Rechtsverfolgungskosten nicht.

Mit weiterem anwaltlichem Schreiben vom 04.01.2019 forderte der Kläger den Beklagten erneut zum Ersatz der Rechtsverfolgungskosten auf und verlangte ferner unter Fristsetzung bis zum 01.02.2019 die Zahlung einer Geldentschädigung in Höhe von 10.000 EUR (Anlage K4, Bl. 17 d.A.). Für dieses Schreiben fordert der Kläger die Zahlung von insgesamt 1.029,35 EUR.

Der Kläger behauptet, dass der Kläger und Herr X nicht öffentlich als Paar aufgetreten seien. Nur einige Freunde und Bekannte von Herrn X seien eingeweiht gewesen.

Die Identifizierung des Klägers in dem Online-Beitrag der „A“ sei bereits vor dem streitgegenständlichen Beitrag des Beklagten entfernt worden. Dies ergebe sich aus Anlage K1, wo auf dem eingebetteten Bildnis der Kläger nicht mehr erkennbar sei. Die Identifizierung des Klägers habe zu diesem Zeitpunkt allein der Beklagte hergestellt. Seine Identität sei zuvor zu keiner Zeit offengelegt worden.

Der Kläger trägt weiter vor, im Profisport und insbesondere im … seien männliche Homosexuelle einer erheblichen Stigmatisierung und Diskriminierung ausgesetzt. Wer sich „oute“, müsse damit rechnen, von den eigenen Teamkameraden angefeindet zu werden oder gar mit dem Verlust der Anstellung und damit der Lebensgrundlage. Der aus … stammende Kläger müsse eine Stigmatisierung befürchten. Er habe seine sexuelle Orientierung seinen Mitspielern und seinem Arbeitgeber gegenüber geheim gehalten.

Der Kläger behauptet hierzu, diese Hintergründe seien dem Beklagten bewusst gewesen. Der Beklagte habe auch gewusst, dass der Kläger mit seiner Homosexualität nicht offen umgegangen sei. Der Beklagte habe bereits auf einer Party des Lebensgefährten des Klägers im Dezember 2016 angekündigt, der „A“-Zeitung davon zu erzählen, dass der Kläger und Herr X eine Beziehung führten. Auf der Party im Dezember 2016 sei die Geheimhaltung der sexuellen Orientierung des Klägers ausdrücklich zur Sprache gekommen, in diesem Zusammenhang habe der Beklagte auch die „A“-Zeitung erwähnt.

Der Kläger habe der „A“-Zeitung persönliche Informationen über den Kläger angeboten.

Nachdem die Betreiber der Facebook-Seite des Basketballvereins des Klägers den Beitrag des Beklagten gelöscht hatten, habe der Beklagte die Nachricht dort erneut veröffentlicht. Daraufhin habe die Administratorin der Facebook-Seite den Beklagten von der Vereinsseite ausgesperrt und ihm weitere Posts untersagt.

Die Beziehung des Klägers habe unter der Veröffentlichung des Beklagten sehr gelitten, sei zeitweise beendet worden und hieran beinahe zerbrochen. Der Kläger lebe ohnehin in ständiger Angst der Entdeckung, die durch die Tat des Beklagten stark gesteigert worden sei.

Im Verein des Klägers habe die Sache in der Vereinsführung große Wellen geschlagen und der Vertrag des Klägers sei nicht verlängert worden.

Der Kläger ist der Auffassung, er könne vom Beklagten die Zahlung einer Entschädigung verlangen. Der Beklagte habe Details aus dem Privatleben des Klägers öffentlich gemacht. Der Beklagte habe den Beitrag der „A“-Zeitung nicht etwa auf seiner eigenen Facebook-Seite geteilt, sondern auf der des Vereins des Klägers und dies zudem in französischer und … Sprache, womit Menschen aus dem direkten Umfeld des Klägers angesprochen worden seien.

Nach der Rechtsprechung des BGH liege ein Eingriff in die Privatsphäre auch dann vor, wenn in zutreffender Weise eine geheim gehaltene Liebesbeziehung offengelegt werde. Dies gelte erst recht bei einem Zwangsouting, das einen Eingriff in die Intimsphäre des Klägers darstelle.

Der geltend gemachte Entschädigungsbetrag von jedenfalls 15.000 EUR sei gerechtfertigt. Der Kläger verweist insoweit auf ein Urteil des Landgerichts München I zum Az. 7 O 4742/05.

Der Kläger beantragt mit seiner am 14.06.2019 zugestellten Klage,

I. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger eine Geldentschädigung nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtsfähigkeit zu zahlen, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, die mindestens aber 15.000 EUR beträgt,

II. den Beklagten zu verurteilen, 1.358,86 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.08.2019 sowie weitere 1.029,35 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte bestreitet, dass der streitgegenständliche Beitrag überhaupt wahrgenommen worden sei.

Der Beklagte trägt vor, dass dem Kläger bei seinem Auftritt mit Herrn X die Popularität von Herrn X bewusst gewesen sei, ebenso wie der Umstand, dass die Presse seit Jahren offen über dessen Beziehungen und sein Liebesleben berichtet habe. Der Kläger habe auf der Party mit Herrn X für das Foto des „A“-Fotografen posiert.

Der Beklagte behauptet, der Umstand, dass der Kläger in Anlage K1 verpixelt sei, liege daran, dass nur Inhabern eines „X-Accounts“ die unverpixelten Bilder gezeigt würden.

Der Beklagte ist der Auffassung, dass ihm eine schwere Persönlichkeitsrechtsverletzung nicht vorzuwerfen sei. Der Kläger sei, wie aus dem Bild in Anlage B1 ersichtlich, offen mit seinem Lebensgefährten aufgetreten und habe sich von der „A“-Zeitung ablichten lassen. Auch sonst habe sich der Kläger mit seinem Lebensgefährten in der Öffentlichkeit gezeigt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist nur wegen des Anspruchs auf Ersatz von Abmahnkosten begründet.

1. Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Ersatz von Abmahnkosten für das vorgerichtliche Abmahnschreiben aus den §§ 683, 677, 670 BGB hat (Antrag zu II., Teil 1).

Die Abmahnung war berechtigt. Der Kläger hatte aus den §§ 823, 1004 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG einen Anspruch auf Unterlassung der streitgegenständlichen Veröffentlichung auf der Facebook-Seite seines Arbeitgebers in französischer und … Sprache.

a. Die Veröffentlichung des Beklagten stellt einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers dar.

Das Recht auf Achtung der Privatsphäre gesteht jedem einen autonomen Bereich der eigenen Lebensgestaltung zu, in dem er seine Individualität unter Ausschluss anderer entwickeln und wahrnehmen kann. Dazu gehört auch das Recht, für sich zu sein, sich selber zu gehören und den Einblick durch andere auszuschließen. Der Schutz der Privatsphäre ist sowohl thematisch als auch räumlich bestimmt. Er umfasst insbesondere Angelegenheiten, die wegen ihres Informationsinhalts typischerweise als „privat“ eingestuft werden, etwa – aber nicht nur – weil ihre öffentliche Erörterung oder Zurschaustellung als unschicklich gilt, das Bekanntwerden als peinlich empfunden wird oder nachteilige Reaktionen der Umwelt auslöst (BGH NJW 2020, 53 Rn. 11 m.w.N.; OLG Köln, Urt. v. 21.11.2019 – 15 U 121/19, BeckRS 2019, 32379 Rn. 13).

Zur Privatsphäre gehören auch Informationen über das Bestehen einer Liebesbeziehung, deren Bekanntwerden der Betroffene – aus welchen Gründen auch immer – nicht wünscht, sondern vielmehr geheim halten möchte (BGH GRUR 2017, 850 Rn. 19 – Tim B.; BGH NJW 2012, 763 Rn. 11).

Der Schutz der Intim- oder Privatsphäre kann aber entfallen, wenn der Grundrechtsträger diesen Bereich der privaten Lebensgestaltung von sich aus öffnet, und bestimmte, an sich der Intim- oder Privatsphäre zuzurechnende Angelegenheiten der Öffentlichkeit zugänglich macht und damit zugleich die Sphäre anderer oder die Belange der Gemeinschaft berührt (BGH NJW 2012, 767 Rn. 12 – Pornodarsteller m.w.N.). Er kann sich dann nicht gleichzeitig auf den öffentlichkeitsabgewandten Schutz seiner Intim- oder Privatsphäre berufen (BGH NJW 2012, 767 Rn. 12 – Pornodarsteller m.w.N.). Eine Rolle bei der Beurteilung der Selbstöffnung kann auch die Frage spielen, in welchem Umfang und in welcher Intensität (vgl. BGH NJW 2018, 3509 Rn. 27 m. Anm. Lauber-Rönsberg) der Betroffene Tatsachen selbst der Öffentlichkeit preisgegeben hat (zur Selbstöffnung durch Teilnahme an sozialen Medien s. LG Frankfurt a.M., Urt. v. 28.11.2019 – 2-03 O 511/18).

Die Kammer geht vorliegend von einem Eingriff in die Privatsphäre des Klägers aus, ungeachtet der Tatsache, dass die „A“-Zeitung über sein Auftreten auf einer Party im Juni 2018 berichtet hat. Denn vorliegend ist streitgegenständlich eine Äußerung des Beklagten auf der Facebook-Seite des französischen Vereins des Klägers, in der der Beklagte die sexuelle Orientierung des Klägers – in französischer und … Sprache – offenlegt.

Ein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht kann auch vorliegen, wenn der Betroffene in gewisser Art und Weise eine Selbstöffnung herbeiführt, er sich aber darum bemüht, solche Umstände zum Beispiel gegenüber dem eigenen privaten Umfeld bzw. bestimmten Personenkreisen geheim zu halten (vgl. LG Frankfurt a.M., Urt. v. 30.07.2015 – 2-03 O 455/14, BeckRS 2016, 1532 zu einer Escort-Dame, die ihre Nebentätigkeit vor dem familiären Umfeld geheim halten will; OLG Frankfurt a.M., Vfg. v. 16.03.2016 – 16 U 188/15 in der Berufung zur Sache der Kammer 2-03 O 455/14, die Berufung wurde daraufhin zurückgenommen; wohl auch LG München I, Urt. v. 21.07.2005 – 7 O 4642/05 (nicht veröffentlicht) zu einem Foto vom Christopher Street Day in Würzburg, wobei der dortige Kläger seine Homosexualität vor der Familie und dem weiteren Bekanntenkreis geheim gehalten hatte, vgl. becklink 153337).

Die Kammer erachtet insoweit den Privatsphärenschutz des Klägers auch nicht als (vollständig) entfallen. Es ist zwar zwischen den Parteien unstreitig geblieben, dass der Kläger auf der Party, auf der das Bildnis entstanden ist, sich hat fotografieren lassen. Es ist auch unstreitig geblieben, dass die „A“-Zeitung in ihrer Frankfurt-Ausgabe mit diesem Bildnis und unter Angabe des Vornamens des Klägers „…“ berichtet hat und dieser Beitrag zunächst mit dem Bildnis des Klägers online veröffentlicht worden war.

Es ist auf der anderen Seite jedoch auch unstreitig geblieben, dass der Kläger seine sexuelle Orientierung und den Umstand, dass er mit Herrn X eine Beziehung führte, vor seinen Mitspielern und seinem Arbeitgeber geheim gehalten hatte. Der Beklagte hat lediglich – zwischen den Parteien insoweit streitig – dargelegt, dass ihm unbekannt gewesen sei, dass der Kläger seine Beziehung habe geheim halten wollen. In dem Beitrag der „A“-Zeitung ging es um eine Party in Frankfurt a.M. Der Lebensgefährte des Klägers war … beim …. Die Städte C [in Frankreich] und Frankfurt a.M. liegen rund 250 km auseinander, zudem ist die Sprachunterschiedlichkeit zu berücksichtigen. Es ist deshalb für eine ansonsten in der Öffentlichkeit unbekannte Person, die ihre – auch räumlich abgegrenzte – Privatsphäre schützen möchte, nicht ohne Weiteres damit zu rechnen, dass das gemeinsame Auftreten mit dem Lebensgefährten auf einer Party in Frankfurt a.M. auch bei den Kollegen oder dem Arbeitgeber im französischen C zur Kenntnis genommen wird.

Weitere konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die sexuelle Orientierung des Klägers sowie seine Beziehung auch weit über den Frankfurter Raum hinaus bekannt geworden ist, hat der Beklagte gerade nicht vorgetragen. Der Kläger hat ferner unbestritten vorgetragen, dass die „A“-Zeitung in dem streitgegenständlichen Bericht auf seine Bitte bzw. Aufforderung das Bildnis entfernt hat.

Schließlich ist auch unstreitig geblieben, dass jedenfalls bei der Veröffentlichung auf der Webseite des Vereins des Klägers das Bildnis in der Vorschau – wie aus Anlage K1 (Bl. 9 d.A.) ersichtlich – den Kläger nicht zeigt und der Artikel als „X“-Inhalt nicht ohne entsprechendes Abonnement zugänglich war. Streitig war zwischen den Parteien lediglich, warum das Bildnis in der Vorschau in Anlage K1 den Kläger nicht zeigt, nämlich ob dies auf die Maßnahmen des Klägers bzw. des Herrn X gegenüber der „A“ zurückzuführen war oder ob das Bildnis mit dem Kläger auch in der Vorschau nur für „X“-Leser angezeigt wurde. Daraus folgt aber, dass für diejenigen Leser, die die Facebook-Seite des Vereins des Klägers betrachten und bei denen die Kammer nicht davon ausgeht, dass sie auch einen „X“-Account hatten, die hier streitgegenständlichen Details im Wesentlichen aus dem Text des Beklagten („X und [Vorname des Klägers] sind ein Paar“) hervorgehen.

b. Die Beeinträchtigung des Rechts des Klägers auf Achtung seiner Persönlichkeit durch die Preisgabe seiner Beziehung stellt sich vorliegend als rechtswidrig dar. Das Interesse des Klägers am Schutz seiner Persönlichkeit überwiegt das dem Beklagten zustehende Recht auf Meinungsfreiheit.

Wegen der Eigenart des allgemeinen Persönlichkeitsrechts als Rahmenrecht liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalls sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen sind. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (BGH NJW 2016, 789 Rn. 20; BGH NJW 2016, 56 Rn. 29; BGH NJW 2014, 2029 Rn. 22; jew. m.w.N.).

Hier ist das Schutzinteresse des Klägers aus Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG mit dem Recht des Beklagten auf Meinungsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK abzuwägen.

Zwar handelt es sich bei den Angaben über die sexuelle Orientierung des Klägers und seine Beziehung um wahre Tatsachenbehauptungen. Da sie aber die Privatsphäre betreffen, ist ungeachtet ihrer Wahrheit von entscheidender Bedeutung, ob sie sich durch ein berechtigtes Informationsinteresse der Öffentlichkeit rechtfertigen lassen (vgl. BGH GRUR 2017, 304 Rn. 16 – Michael Schumacher; BVerfG NJW 1999, 1322; BVerfG NJW 2000, 2413).

Diese Abwägung fällt hier letztlich zu Lasten des Beklagten aus. Die Kammer hat bei der Abwägung berücksichtigt, dass der Kläger mit einem bekannten Journalisten liiert war bzw. ist. Der Kläger ist mit seinem Lebensgefährten auch jedenfalls im weiteren privaten Umfeld aufgetreten, wie der Beklagte durch Vorlage des Fotos in Anlage B3 dargelegt hat. Weiter war die Form des Beitrages des Beklagten zu berücksichtigen, die der Beklagte für seine Information gewählt hat. So stellt der Beklagte auf der Facebook-Seite des Vereins des Klägers die sexuelle Orientierung des Klägers ausdrücklich in ein positives Licht. Auf der anderen Seite ist nicht ersichtlich und vom Beklagten auch nicht erläutert worden, warum er diese Äußerung, die in einem deutschen Medium in deutscher Sprache veröffentlicht worden ist, auf der Facebook-Seite eines französischen …vereins und in französischer und zusätzlich in … Sprache geteilt hat. Vor der Handlung des Beklagten bestand jedenfalls nach dem vorgetragenen Sachverhalt keinerlei Verbindung zwischen dem Verein des Klägers und dem deutschen Beitrag.

Die Kammer hat in die Abwägung auch eingestellt, dass der Kläger sich jedenfalls in Frankfurt a.M. und über einen eng abgegrenzten privaten Kreis hinaus mit seinem Lebensgefährten gezeigt hat und sich hat hierfür ablichten lassen. Hierdurch ist der Privatsphärenschutz des Klägers jedenfalls in der Abwägung reduziert.

Letztlich hat die Kammer auch berücksichtigt, dass der streitgegenständliche Beitrag des Beklagten nach dem unstreitigen Vortrag der Parteien wohl nur für kurze Zeit auf der Facebook-Seite des …vereins sichtbar war, auch wenn dies insbesondere die Schwere der Persönlichkeitsrechtsverletzung betrifft und die Löschung gerade nicht auf Betreiben des Beklagten erfolgte.

In Gesamtabwägung der genannten Punkte überwiegt hier das Interesse des Klägers.

c. Der vom Kläger geltend gemachte Gegenstandswert begegnet keinen Bedenken. Der Zinsanspruch ergibt sich aus den §§ 288, 286 BGB.

2. Der Kläger kann jedoch vom Beklagten nicht die begehrte Entschädigung verlangen (Antrag zu I.). Ein solcher Anspruch ergibt sich auch nicht aus den §§ 823, 249 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG.

a. Die Zubilligung einer Geldentschädigung beruht auf dem Gedanken, dass ohne einen solchen Anspruch Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts häufig ohne Sanktion blieben mit der Folge, dass der Rechtsschutz der Persönlichkeit verkümmern würde. Grundsätzlich löst aber nicht jede Rechtsverletzung bereits einen Anspruch auf Ersatz eines immateriellen Schadens aus. Nur unter bestimmten erschwerenden Voraussetzungen ist das unabweisbare Bedürfnis anzuerkennen, dem Betroffenen wenigstens einen gewissen Ausgleich für ideelle Beeinträchtigungen durch Zubilligung einer Geldentschädigung zu gewähren. Das ist nur der Fall, wenn es sich aufgrund der gesamten Umstände des Einzelfalls um einen schwerwiegenden Eingriff handelt und die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden kann. Hierbei sind insbesondere die Art und Schwere der zugefügten Beeinträchtigung, die Nachhaltigkeit der Rufschädigung, der Grad des Verschuldens sowie Anlass und Beweggrund des Handelns zu berücksichtigen (vgl. BGH NJW 2010, 763, juris-Rn. 11 – Esra; BGH AfP 2012, 260, juris-Rn. 15; OLG Celle NJW-RR 2001, 335, juris-Rn. 11; Dreier/Schulze, a.a.O., §§ 33 ff. KUG, Rn. 22). Die Geldentschädigung wegen einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts dient insoweit zum einen der Genugtuung des Opfers und zum anderen der Prävention (BGH NJW 1996, 985, 987 – Kumulationsgedanke). Im Rahmen der Abwägung ist aber andererseits auch das Recht der freien Meinungsäußerung und der Pressefreiheit (Art. 5 GG) zu berücksichtigen. Die grundlegenden Kommunikationsfreiheiten wären gefährdet, wenn jede Persönlichkeitsrechtsverletzung die Gefahr einer Verpflichtung zur Zahlung einer Geldentschädigung in sich bergen würde. Die Zuerkennung einer Geldentschädigung kommt daher nur als „ultima ratio“ in Betracht, wenn die Persönlichkeit in ihren Grundlagen betroffen ist (LG Köln, Urt. v. 10.10.2012 – 28 O 195/12 Rn. 23 – juris). Einen Gesichtspunkt für die Frage, ob ein derart schwerwiegender Eingriff vorliegt, stellt auch die Form der Berichterstattung dar. Zeigt das Bildnis den Betroffenen in einer Position, die geeignet ist, ihn der Lächerlichkeit preiszugeben, kann dies für das Bedürfnis einer Entschädigung sprechen. Gleiches gilt für die zugehörige Textberichterstattung, wenn sie geeignet ist, den Betroffenen in den Augen der Öffentlichkeit in ein ungünstiges Licht zu rücken (vgl. OLG Karlsruhe NJW-RR 2009, 1273; LG Köln, Urt. v. 10.10.2012 – 28 O 195/12). Dabei kann bei der gebotenen Gesamtwürdigung auch ein erwirkter Unterlassungstitel in Ansatz gebracht werden, weil dieser und die damit zusammenhängenden Ordnungsmittelandrohungen den Geldentschädigungsanspruch beeinflussen und im Zweifel sogar ausschließen können (vgl. BGH NJW 2010, 763, juris-Rn. 11 – Esra; BGH AfP 2012, 260, juris-Rn. 15).

b. Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte scheidet die Zuerkennung einer Geldentschädigung nach Auffassung der Kammer aus. Der Eingriff des Beklagten ist angesichts aller Umstände des Einzelfalls nicht so schwerwiegend, dass die Zuerkennung einer Entschädigung geboten wäre.

Die Kammer hat hierbei zunächst einbezogen, dass dem Beklagten ein rechtswidriger Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers vorzuwerfen ist. Allerdings ist auch einzustellen, dass der Lebensgefährte des Klägers gerade auch wegen seiner Homosexualität in der Öffentlichkeit stand und sich dieser geöffnet und sich ausweislich des „A“-Artikels auch zur Beziehung mit dem Kläger bzw. dem Ende der vorangegangenen Beziehung geäußert hatte. Weiter war zu beachten, dass der Beitrag des Beklagten nach dem unstreitigen Vortrag der Parteien nur wenige Stunden verfügbar war, bevor er gelöscht wurde. Auch hat der Kläger sich nach dem unbestrittenen Vortrag des Beklagten für das streitgegenständliche Foto in der „A“-Zeitung selbst „in Szene gesetzt“. Letztlich war zu berücksichtigen, dass der Beklagte eine Unterlassungserklärung abgegeben hat.

Die Kammer hat auch den – bestrittenen – Vortrag des Klägers einbezogen, dass der Beklagte gewusst habe, dass der Kläger seine Beziehung geheim halten wollte. Zwar könnte dies – als unstreitig unterstellt – für ein schweres Verschulden des Beklagten sprechen. Allerdings kommt die Kammer selbst bei Wahrunterstellung nicht zu einem Entschädigungsanspruch. Denn das vom Kläger behauptete Wissen des Beklagten rührte von der Party Ende 2016 und findet aus Sicht des Klägers Niederschlag in dem SMS-Chat aus März 2017 (Anlage K6). Zu Recht weist jedoch der Beklagte darauf hin, dass über ein Jahr später die „A“-Zeitung den Kläger zeigt und dies mit einer Äußerung des Herrn X zur neuen Beziehung untermalt. Auf dieser Grundlage kann dem Beklagten jedenfalls nicht in Form eines schweren Verschuldens vorgeworfen werden, er habe weiter davon ausgehen müssen, dass der Kläger nunmehr – im Jahr 2018 – seine Beziehung weiter habe geheim halten wollen.

Schließlich hat die Kammer den Vortrag des Klägers berücksichtigt, dass er als Sportler und vor seinem familiären Hintergrund besondere Folgen bei einem Zwangsouting zu gewahren hat.

Für die weiteren Umstände zur Schwere der Rechtsbeeinträchtigung, z.B. der Nichtverlängerung seines Vertrages in C und der unmittelbaren Folgen aus der Veröffentlichung hat der Kläger entweder keinen Beweis angeboten oder hierzu nicht substantiiert vorgetragen.

3. Da der Kläger keinen Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung hat, scheidet auch der Anspruch auf Ersatz der Kosten für das entsprechende Abmahnschreiben aus (Antrag zu II., Teil 2).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die Kostenquote trägt dem wechselseitigen Obsiegen und Unterliegen der Parteien Rechnung.

5. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich jeweils aus § 709 ZPO.

Entscheidung des LG Frankfurt 3. Zivilkammer von 20. Februar 2020