EuGH Generalanwalt: Die Verbreitung eines ausländischen Fernsehkanals nur in kostenpflichtigen Fernsehprogrammpaketen steht im Anklang mir der AVMD-RL

Generalanwalt Saugmandsgaard Øe: Die Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste hindert einen Mitgliedstaat nicht daran, eine Maßnahme zu erlassen, mit der die Verpflichtung aufgestellt wird, einen ausländischen Fernsehkanal nur in kostenpflichtigen Fernsehprogrammpaketen auszustrahlen oder weiterzuverbreiten, um die Verbreitung von Informationen, mit denen beim Publikum dieses Staates Hass geschürt wird, über diesen Kanal zu beschränken

Eine solche Maßnahme ist auch mit der in Art. 56 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union vorgesehenen Dienstleistungsfreiheit vereinbar

Baltic Media Alliance, eine im Vereinigten Königreich registrierte Gesellschaft, strahlt den Fernsehkanal NTV Mir Lithuania – einen ausschließlich für litauisches Publikum bestimmten Kanal – aus, dessen Programme mehrheitlich in russischer Sprache sind. Am 18. Mai 2016 erließ die litauische Radio- und Fernsehkommission (im Folgenden: RFKL) nach litauischem Recht eine Maßnahme, mit der Wirtschaftsteilnehmer, die im Wege von Kabelfernsehen oder Internet Fernsehkanäle an litauische Verbraucher verbreiten, für einen Zeitraum von zwölf Monaten dazu verpflichtet wurden, den Kanal NTV Mir Lithuania nur noch in kostenpflichtigen Fernsehprogrammpaketen zu verbreiten. Diese Entscheidung beruhte darauf, dass ein am 15. April 2016 über den fraglichen Kanal ausgestrahltes Programm Informationen enthalten habe, die zu Feindschaft und Hass aufgrund der Staatsangehörigkeit gegenüber den baltischen Staaten aufgestachelt hätten.

In seinen heutigen Schlussanträgen vertritt Generalanwalt Henrik Saugmandsgaard Øe die Auffassung, dass die Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste1 , nach der die Mitgliedstaaten verpflichtet seien, den freien Empfang zu gewährleisten und nicht – aus Gründen wie der Aufstachelung zu Hass – die Weiterverbreitung von audiovisuellen Mediendiensten aus anderen Mitgliedstaaten in ihrem Hoheitsgebiet zu behindern, dem Erlass einer solchen Maßnahme durch die Republik Litauen nicht entgegenstehe.

Diese Richtlinie hindere den Empfangsmitgliedstaat nämlich nicht daran, bestimmte Modalitäten für die Verbreitung von Fernsehsendungen aus anderen Mitgliedstaaten zu regeln. Der Empfangsstaat könne so von Wirtschaftsteilnehmern, die Fernsehkanäle verbreiteten, aus Gründen des Allgemeininteresses verlangen, dass sie ihre Angebote derart gestalteten, dass bestimmte Kanäle nur in besonderen Paketen enthalten seien. Solche Maßnahmen behinderten nicht die Weiterverbreitung oder den Empfang der betreffenden Kanäle an sich. Diese könnten unter Berücksichtigung dieser Modalitäten stets verbreitet werden, und die Verbraucher könnten diese Kanäle rechtmäßig sehen, soweit sie ein geeignetes Paket abonnierten.

Im Übrigen sei die von der RFKL gegenüber dem Fernsehkanal NTV Mir Lithuania erlassene Maßnahme mit der in Art. 56 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union gewährleisteten Dienstleistungsfreiheit vereinbar. Diese Maßnahme erscheine nämlich gerechtfertigt und verhältnismäßig. Insoweit hebt der Generalanwalt hervor, dass die Republik Litauen durch eine zumutbare Maßnahme berechtigterweise versucht habe, im Zusammenhang 1 mit einem Informationskrieg, dem die baltischen Staaten ausgesetzt seien, den litauischen Informationsraum gegen russische Propaganda zu schützen.

1Richtlinie 2010/13 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. März 2010 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung audiovisueller Mediendienste (ABl. 2010, L 95, S. 1).

Die Pressemitteilung des EuGH vom 28. Februar 2019