Der Privatsender Sat.1 ist weiterhin verpflichtet, wöchentlich drei Stunden Sendezeiten für unabhängige Dritte („Drittsendezeiten“) in seinem Fernsehprogramm bereitzustellen. Dies geht aus einem Urteil des Verwaltungsgerichts Neustadt/Wstr. vom 19. Juni 2018 hervor.
Die Klägerin, die der Sendergruppe ProSiebenSat.1 Media SE angehörende Sat.1 SatellitenFernsehen GmbH, veranstaltet das private Fernsehvollprogramms Sat.1. Aufgrund der Regelungen des zwischen den Bundesländern abgeschlossenen Rundfunkstaatsvertrags, denen Gesetzeskraft zukommt, hat der Veranstalter eines privaten Fernsehprogramms bestimmte Zeitanteile unabhängigen Produzenten von Fernsehprogrammen (sog. Fensterprogrammveranstaltern) einzuräumen, wenn der Privatsender bei Einleitung des Verfahrens im Durchschnitt der letzten zwölf Monate einen Zuschaueranteil von 10 v.H. oder, falls der Privatsender einer Sendergruppe angehört, die Sendergruppe insgesamt einen Zuschaueranteil von 20 v.H. erreicht oder überschritten hat. Diese Vorgaben sollen der Sicherung von Meinungsvielfalt im privaten Fernsehsektor dienen. Ob bei einem Privatsender oder der Sendergruppe ein solcher Zuschaueranteil vorliegt, wird von der Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (im Folgenden KEK) auf Veranlassung der zuständigen Landesmedienanstalt – in Rheinland-Pfalz die Landesanstalt für Medien und Kommunikation (im Folgenden LMK) – ermittelt. Die Drittsendezeiten werden anschließend von der LMK öffentlich ausgeschrieben. Die Auswahl der künftigen Fensterprogrammveranstalter erfolgt in einem mehrstufigen Verfahren gemeinsam mit dem Hauptprogrammveranstalter sowie im Benehmen mit der KEK. Der Fensterprogrammveranstalter erhält sodann eine eigene rundfunkrechtliche Zulassung für die Dauer von fünf Jahren.
Im Oktober 2015 leitete die Beklagte in Bezug auf die Klägerin ein Drittsendezeitenverfahren ein, nachdem die KEK mitgeteilt hatte, dass die Sendergruppe der Klägerin im Referenzzeitraum von Oktober 2014 bis September 2015 nach der arithmetischen Berechnungsmethode einen Zuschaueranteil von 20,041 v.H. gehabt habe. Nach erfolgter Ausschreibung des Vergabeverfahrens erteilte die Beklagte mit für sofort vollziehbar erklärtem Bescheid vom 13. Februar 2017 Zulassungen zur Veranstaltung und Verbreitung von überregionalen Fernsehfensterprogrammen im Fernsehvollprogramm der Klägerin ab dem 1. März 2017 für die Dauer von fünf Jahren an die drei Drittanbieter DCTP Entwicklungsgesellschaft für TV-Programme mbH, Good Times Fernsehproduktions GmbH und tellvision Film- und Fernehproduktion e.K.
Dagegen erhob die Klägerin im März 2017 Klage und stellte zugleich wegen des angeordneten Sofortvollzugs einen Eilantrag. Dem vorläufigen Rechtsschutzgesuch der Klägerin gab die Kammer im Juli 2017 statt (s. dazu die Pressemitteilung des Verwaltungsgerichts Neustadt/Wstr. Nr. 28/17). Auf die dagegen von der Beklagten und einer der ausgewählten Fernsehproduktionsgesellschaften eingelegte Beschwerde entschied das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz im Oktober 2017, dass die Klägerin wöchentlich drei Stunden Sendezeiten für unabhängige Dritte in ihrem Fernsehprogramm bereitstellen muss (s. Pressemitteilung des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz Nr. 24/17).
Die Klägerin hat an ihrer Klage festgehalten und zur Begründung ausgeführt: Sie sei nicht verpflichtet, Drittsendezeiten einzuräumen. Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz habe rechtsfehlerhaft die von der KEK zugrunde gelegte arithmetische Methode zur Berechnung des Jahreszuschaueranteils angewandt und auf die falsche Referenzperiode abgestellt. Tatsächlich lägen die Zuschaueranteile im maßgeblichen Zeitraum von Februar 2016 bis Januar 2017 unter 20 v.H.. Zwar habe das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz nicht in Abrede gestellt, dass die Berücksichtigung nachträglicher Veränderungen (Absinken) der Zuschaueranteile zur Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit geboten sein und die sog. Drittsendezeitenverpflichtung des Hauptprogrammveranstalters insoweit entfallen lassen könne. Das Oberverwaltungsgericht habe jedoch so restriktive Beschränkungen aufgestellt, dass diese im Ergebnis zu einer weitgehenden Immunisierung des Verfahrens gegenüber Veränderungen führten und eine einseitige Risikoverteilung zu Lasten des Hauptprogrammveranstalters im Verfahren etabliere. Dies sei rechtsfehlerhaft.
Die 5. Kammer des Gerichts hat die Klage mit folgender Begründung abgewiesen: Die Zulassungsentscheidung der Beklagten vom 13. Februar 2017 sei rechtlich nicht zu beanstanden. Das Vergabeverfahren sei von der Beklagten im Oktober 2015 mit der schriftlichen Aufforderung der Verwaltung der Klägerin an die KEK, die maßgeblichen Zuschaueranteile festzustellen, wirksam eingeleitet worden. Weder sei auf einen Zeitpunkt davor noch auf einen Zeitpunkt danach abzustellen. Der mit Beschluss der KEK im November 2015 ermittelte Marktanteil der Sendergruppe der Klägerin sei zutreffend mit einem Zuschaueranteil von über 20 v.H. aller deutschsprachigen Programme des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und des bundesweit empfangbaren privaten Rundfunks festgestellt worden. Die von der KEK zugrunde gelegte arithmetische Berechnungsmethode sei entgegen der Auffassung der Klägerin nicht zu beanstanden. Die KEK und die Beklagte hätten ferner korrekt den Referenzzeitraum von Oktober 2014 bis September 2015 zugrunde gelegt. Auch habe der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht die Einstellung des Drittsendezeitenverfahrens im Hinblick auf das nachträgliche Absinken der Zuschaueranteile der Sendergruppe der Klägerin erfordert.
Die Vergabe von Drittsendezeiten verlange umfangreiche Vorkehrungen der Landesmedienanstalt, des Hauptprogrammveranstalters und der ausgewählten Bewerber für die Drittsendezeiten, die im Falle ihrer Auswahl zur Durchführung der Sendezeiten verpflichtet seien. Damit die Fensterprogramme auch tatsächlich produziert und gesendet werden könnten, müssten die unabhängigen Drittsendezeitveranstalter genügend Planungssicherheit haben. Diese sei aber nur gewährleistet, wenn geringe Schwankungen im Zuschaueranteil unterhalb der Schwellenwerte nicht sofort zur Reaktion zwängen. Mit dem Neunten Rundfunkänderungsstaatsvertrag sei zudem gerade der (relativ lange) Zulassungszeitraum von fünf Jahren ausdrücklich im Interesse der Planungssicherheit des unabhängigen Fensterprogrammveranstalters eingefügt worden. Mit der Einräumung von Drittsendezeiten werde der Hauptprogrammveranstalter, bezogen auf die Gesamtsendezeit, auch nur geringfügig in seiner Rundfunkveranstaltungsfreiheit einschränkt.
Diese Gründe rechtfertigten es, grundsätzlich an den Zuschaueranteilen festzuhalten, die zum Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens die nach dem Rundfunkstaatsvertrag maßgeblichen Schwellenwerte zumindest erreicht hätten. Die Berücksichtigung neuer Tendenzen in den Zuschauerzahlen, die das nachträgliche Unterschreiten der Schwellenwerte zur Folge hätten, müsse daher auf gravierende Ausnahmekonstellationen begrenzt werden. Dies sei hier nicht der Fall.
Gegen das Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung Berufung zum Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz eingelegt werden.
Verwaltungsgericht Neustadt, Urteil vom 19. Juni 2018 – 5 K 313/17.NW –
Pressemitteilung des VG Neustadt vom 06.07.2018